Hausrecht

Hausrecht

15. August 2022 Aus Von ibims_trotzdem

Auf den ersten Blick ist es eine normale Ferienanlage. Es gibt eine Rezeption, in der wir uns anmelden. Wir werden zu einer Rundhütte geführt und erhalten ein Ferienzimmer. Weiter drüben ist ein Pool mit Liegewiese. Und in einem weiteren Gebäude ist das Restaurant, wo wir essen werden. Es gibt auch ein Café, und wir können uns überall frei bewegen.

Das tun wir auch. Wir marschieren los und schauen uns um.

Zuerst fallen uns die vielen Wohnhäuser auf. Und die Sportanlagen. Es gibt ein großes Basketballfeld mit Rängen für die Zuschauer. Fast im Zentrum von allem befindet sich ein Fußballplatz, auch er hat Normgröße, und der Rasen wirkt grün und gepflegt.

Dann entdecken wir Werkstätten, die Töpferei, die Schreinerei, eine Näherei, ein Gebäude mit Computerarbeitsplätzen.

Weiter hinten kommen die Schulen mit Schlafräumen und einer Großküche.

Überall laufen Menschen umher, vor allem Kinder. Wir grüßen einander scheu. Manchmal.

Nur zum Pool können wir heute nicht. Dort findet eine afrikanische Hochzeit statt. Sie ist für geladene Gäste. Wir gehören nicht dazu. Es herrscht geschäftiges Treiben. Stühle und Tische werden aufgebaut, Geschirr getragen. Plüschsessel mit Baldachin werden für das Paar drapiert. Dann wird alles mit Girlanden geschmückt. Am Ende werden große Mengen Essen aus dem Restaurant getragen. Die ganze Zeit über dröhnt aus einem Lautsprecher Musik. So richtig. Das gesamte Gelände wird beschallt. Für Stunden.


Es ist Ferienzeit. Eigentlich sind alle Schulkinder bei ihren Familien. Wer jetzt noch auf dem Grundstück ist, hat kein anderes Zuhause. Mir wird klar, dass die meisten Kinder, die hier ausgelassen spielen und sich frei bewegen, eigentlich wohl Waisen sind. Würden sie hier nicht versorgt und ausgebildet, wären sie wohl auf der Straße und auf sich selbst gestellt.

Wir sind Hotelgäste. Es fehlt uns an nichts. In allen Räumen kommt Quellwasser aus den Wasserhähnen. Es hat beste Trinkwasserqualität. Wir trinken nichts anderes.

Zu den Mahlzeiten bedienen wir uns an einem Buffet. Es ist immer lecker. Zu jeder Mahlzeit gibt es frische Früchte: Ananas und Melone immer, Banane oft, Mango, Passionsfrucht, Papaya manchmal. Einmal gibt es Jackfruit. Zum Frühstück gibt es fast immer Avocado. Ein Genuss.

In unserem Bad haben wir warmes Wasser zum Duschen, es ist sauber. Die Anlage ist gepflegt und geschmackvoll gestaltet. Hibiskus in vielen Farben und andere Blühsträucher säumen die Wege. Interessante Skulpturen stehen in den Freiflächen. Viele Wände sind bemalt.

Diese Kinder, die hier so unbefangen vor uns spielen, erhalten hier trotz harter Schicksale eine Perspektive für ihr Leben. Als ich das verstehe beginne ich diesen Ort zu lieben. Wir sitzen im Café und schauen ihnen zu. Ich bin so froh, dass sie da sind. Und dass wir da sind, genau hier, nirgends sonst.

An den Gesichtern, an den Gebäuden, an der friedlichen Atmosphäre, an der Schönheit und Vielfalt, an allem kann ich sehen, dass dieses Projekt funktioniert.

Hier haben Waisenkinder Hausrecht – und wir sind die (Zaun-)Gäste.